Ich will Journalist werden! Aber wie?
Donnerstag, 16. Dezember 2010. Der Carl-Orff-Saal am Münchner Gasteig füllt sich schnell am Tag der Abi-Messe von „absolut karriere“. Und das heißt was: Über eintausend Schülerinnen und Schüler drängen in den Saal und wollen wissen, welcher Weg am besten in die Berufswelt der Medien führt. Auf der Bühne sitzen erfahrene Leute – zum Beispiel FOCUS-Chefredakteur Wolfram Weimer oder DJS-Leiter Uli Brenner. Es moderiert Jan Philipp Burgard. Auch in den folgenden Jahren findet die Karrieremesse immer wieder statt – und immer mit auf dem Podium dabei: Scheider!
Wir reden über den Einstieg in den Journalismus. Du findest viel darüber im Netz. Aber nur wenig über die ersten Schritte der Berufsentscheidung selbst. Und gerade diese allerersten Gedanken haben viel mit Persönlichkeit und Leidenschaft zu tun. Und dann gehts los im Saal.
FAZIT
Ich will Journalist werden! Diesen Satz kann jeder einfach nachsprechen. Vielleicht sogar so überzeugend, dass wir es gerne glauben. Aber ganz ehrlich: Das muss aus Deinem tiefsten Inneren kommen. Dieser Job bietet zwar Stoff für hundert Leben, aber er fordert Dich auch. Und erst wenn Du bereit bist, für eine spannende Geschichte auch mal eine regnerische Nacht unter Brücken zu hausen – dann könnte aus Deinem Wunsch ein Beruf werden!
10 TIPPS
Aus 90 Minuten Diskussion hier das Wichtigste im Schnelldurchgang plus ein paar Scheidersche Anregungen…
1. Entscheide aus dem Bauch!
Wer Journalist werden will, entscheidet sich weniger für einen Beruf – sondern mehr für eine Berufung. Will heißen: Der Berufswunsch sollte aus dem Bauch und von Herzen kommen. Das hat viel mit Leidenschaft zu tun, denn Journalismus erfordert soviel Fingerspitzengefühl, Flexibilität und Fieber! Wer nicht dafür brennt, hat es definitiv schwerer.
2. Keine Halbherzigkeit!
Spannend hat FOCUS-Chefredakteur Weimer von seinen Interviews mit der Bundeskanzlerin erzählt. Doch die schwierigsten Interviews finden woanders statt. Stell Dir vor, Du sollst einen Drogensüchtigen interviewen, der unter einer Brücke haust. Da geht man nicht einfach hin und stellt seine 25 Fragen. Du musst erstmal Vertrauen gewinnen – und ihm auf Augenhöhe begegnen. Mit anderen Worten: Du musst Mensch sein! Wer das nur halbherzig oder herablassend angeht, wird von dem Mann unter der Brücke niemals eine Chance bekommen.
3. Finde Deine größte Leidenschaft!
Ein guter Journalist besitzt auch ein „Fachgebiet“. Das kann Wirtschaft, Computertechnik, Kunstgeschichte, Luftverkehr oder sonstwas sein. Du „verkaufst“ Dich besser mit einem Themenfeld, auf dem Dich kaum jemand schlagen kann. Dein Pluspunkt! Unsere Diskussion hat gezeigt: Journalismus studieren und dann als Journalist arbeiten – das geht zwar, doch hier musst Du noch härter kämpfen, um das Mittelmaß zu überwinden. Deswegen große Einigkeit aller auf der Bühne: Der ideale Berufs-Zugang besteht aus „Deinem Lieblings-Studium“ (das Fach, für das Du die größte Leidenschaft mitbringst!) plus einer Redakteurs-Ausbildung (Volontariat).
4. Pflege Deine Kreativität!
Journalismus – das ist auch ein Spiel mit Worten, Bildern und Szenen. Die oberste Regel heißt: Du musst das Interesse des Publikums wecken! Wenn niemand Deine Artikel lesen oder Deine Filme sehen will, dann dürfte der Verlag oder Sender irgendwann auf Deine Dienste verzichten – denn mit Deinen Werken „verkauft“ sich die Zeitung nicht… Gerade deshalb ist der kreative Umgang mit den Medien so wichtig!
Überrasche Dein Publikum! Beginne den Artikel oder den Film nicht wie schon zigtausend Journalisten vor Dir – sondern lass Dir etwas Neues einfallen! Eine simple Idee, die alles schlägt und gleichzeitig Spannung erzeugt! Gestalte Dein Werk so, dass jeder Leser sofort Lust entwickelt, weiterzulesen. Sei kreativ!
5. Nutze die Technik!
Wenn Du früher einen Artikel geschrieben hast, dann war Klinkenputzen angesagt. Du bietest ihn Zeitungen an wie sauer Bier. Davor darf man keine Angst haben – klar – aber schau Dir die heutige Technik an! Du schreibst einen Artikel und fünf Sekunden später ist er veröffentlicht – im Netz! Solche Blogs stecken voller journalistischer Chancen und auch Du kannst das sofort und für wenig Geld nutzen. Freilich spült diese Vorgehensweise erstmal keine Kohle oder nur wenig in die Kassen – aber am Anfang dient das Web-Publishing aber auch erstmal dazu, das eigene Image zu präsentieren und bekanntzumachen. Bei der nächsten Bewerbung verweist Du einfach auf Deine Online-Artikel oder -Filme (YouTube-Kanal!), so kann sich jeder Verlag oder Sender ein gutes Bild von Dir machen. Ich habe übrigens für diesen Zweck auch gleich HTML, CSS, Flash und all die anderen Webtechniken selbst erlernt. Und verdiene auch damit heute mein Geld…;-)
6. Riskiere einen Testballon!
Wer sagt denn, dass Du ständig die Bewerbungsseiten im „Journalist“ oder in der Tageszeitung durchackern musst… setz Dich einfach hin, stelle eine erfrischende Bewerbungsmappe zusammen (gerne auch mit unveröffentlichten Artikeln oder Filmen) – und greife an! Schicke das Paket an ein Medium, für das Du gerne arbeiten möchtest! Ich habe das fünf Mal im Leben ausprobiert und mich blind beworben – und hatte fünf Mal Erfolg! Ist doch klar: Deine Bewerbung verschwindet nicht unter hundert anderen – sondern liegt plötzlich „einsam“ auf dem Tisch eines Medienmenschen. Kann ein perfekter Moment sein!
7. Frag den Showmaster!
Was erwartet mich im Journalismus? Gibt es Geheimtipps, um schneller voranzukommen? Und was darf ein Journalist zum Beispiel überhaupt nicht tun? 1001 Fragen liegen Dir auf den Lippen – und Du suchst nach 1001 Antworten. Natürlich findest Du eine Menge im Netz – darunter aber auch viel Krimskrams oder selbsternannte Missionare. Viel besser ist es, Du sprichst erfahrene Leute aus dem Beruf an! Frag den Moderator, den Chefredakteur, den Filmemacher! Nimm per Mail oder Brief Kontakt auf und raube ihnen eine Viertelstunde mit Deinen Fragen. Die meisten nehmen sich übrigens gerne die Zeit für jemanden, der gerade den Weg in den Journalismus beschreitet. Und: Nach dem Gespräch hast Du eine wichtige Adresse mehr in der Tasche. Für alle Fälle.
8. Schnuppern erwünscht!
Welches Bild hast Du vom journalistischen Berufsalltag? Vermutlich ein diffuses und nebulöses Bildnis aus theoretischem Wissen. Vielleicht ein romantisches Bild. Doch wie läuft das wirklich ab beim ARD Mittagsmagazin – oder bei der SZ – oder beim FOCUS? Viele Sender und Verlage bieten kurze und unbezahlte Schüler-Praktika an. Drei oder vier Tage durchs Haus laufen und mal in den Arbeitsalltag hineinschnuppern! Was besseres kann Dir nicht passieren – und danach bist Du um einiges klüger.
Mehr über das Schüler-Praktikum beim BR
9. Ab ins Ausland!
Brauchen wir zwar nicht groß hinausposaunen – aber der Vollständigkeit halber dann doch…;-) Ein Jahr bei einem Sender in den USA – keine Frage, das schmückt jeden Lebenslauf. Also: Koffer packen und Abflug! Worauf wartest Du?
10. Von der Pike auf!
Wenn die Berufsentscheidung auf dem Tisch liegt und Du bereit bist – dann kommt der nächste wichtige Schritt: Jetzt musst Du das Handwerk von der Pike auf lernen. Recherchieren, formulieren, aussortieren – und dann Dein Werk vollenden. „Journalist“ kann sich im Grunde jeder nennen – die Berufsbezeichnung ist bis heute nicht geschützt. Umso wichtiger ist es, das Handwerk an einer guten Schule (z.B. DJS) zu lernen und perfekt zu beherrschen!